Maximilian Gigl
Schreiende Steine
Über das Buch Verlassene Kirchen von Francis Meslet
Wer den Bildband Verlassene Kirchen aufschlägt, dem eröffnet sich ein Blick in sakrale Räume, in denen schon seit Jahren und Jahrzehnten kein Gottesdienst gefeiert wird, kein Gesang und Orgelspiel ertönt und kein Beter zu persönlicher Andacht verweilt. Eine dicke Schicht von Staub, abblätternden Farben, Schmutz und Spinnweben haben in den sich selbst überlassenen Räumen eine deutliche Patina gebildet. Alle Aufnahmen sind menschenleer, und doch sind auf vielen Bildern Spuren der Gläubigen und der heiligen Feier zu erkennen: Ein Orgelspieltisch, Kirchenbänke oder Stühle, vergilbte Plastikblumen und mottenzerfressene Altartücher zeugen von einstigen Gottesdiensten, auch wenn inzwischen Feuchtigkeit, Zerstörung, Nager und Tauben Einzug gehalten haben. Es schmerzt zu sehen, dass es mit diesen Bauten so weit gekommen ist.
Aus Erbe und Auftrag 2/22, Seite 174-176